Mit freundlicher Genehmigung des MM Musik-Media-Verlags gibt's hier den Testbericht zum RealizeR.

RealizeR Studio

Coura

Peter Coura ist ein alter Fuchs, manche nennen ihn sogar den Paten der deutschen Musikalienszene. In der Kombination Werkstatt, Laden und Musikschule, mit der er sein zeitraubendes Business betreibt, hat er das Ohr stets am Puls der Zeit – und sich dennoch seinen speziellen Humor bewahrt (siehe www.couraguitars.de). Und da er, der er lange genug auch als aktiver Musiker unterwegs war, die Sprache der selben Spezies spricht und versteht, wartet er in gewissen Abständen immer wieder mit überraschenden Produkten auf – wie zum Beispiel mit dem RealizeR.

Der RealizeR ist ein Mini-System, bestehend aus einem Sensor und einer externen Regel- und Schalteinheit. Die Parole „Put the sound of wood back into your electric guitar!“ wurde ausgerufen und sich an die Umsetzung derselbigen gemacht. Aber: Braucht der Gitarrist von heute überhaupt so einen Schnickschnack?

philosophie

Es kommt drauf an ... manche Gitarristen wissen vielleicht noch gar nicht, dass sie solch eine System gut gebrauchen könnten; und dass dieses System vielleicht genau das macht, wonach sie schon lange gesucht, und weswegen sie tonnenweise Equipment ausprobiert und wieder aussortiert haben. Das Ziel des RealizeR-Systems ist schnell erklärt: Die Anreicherung des rein elektromagnetischen Sounds einer Solidbody-E-Gitarre durch für schwingendes Holz typische Frequenzen, die eben ein magnetischer Tonabnehmer nicht übertragen kann. Dazu wird ein Sensor, eine Art Schallwandler, unsichtbar in die Gitarre eingebaut, z. B. in die Ausfräsung des Hals-Pickups. Bis auf die Klinkenbuchse, die durch eine Stereo-Ausführung ersetzt wird, wird an der Konstruktion der Gitarre nichts verändert, so dass der gewohnte Sound und die Spielbarkeit erhalten bleiben. Da in der Gitarre keine Batterie benötigt wird, braucht auch keine Holzarbeit erledigt zu werden – und ohne das RealizeR-Pedal funktioniert die Gitarre auch mit einem normalen monophonen Gitarrenkabel genau wie vorher.

konstruktion

Der Sensor ist in seinem Übertragungsbereich derart beschnitten, dass er nur die Frequenzen abnimmt, die vom magnetischen Pickup nicht übertragen werden. Deshalb ist der Sensor auch nicht etwa ein Ersatz oder eine Alternative zu den bekannten Piezo-Systemen auf dem Markt, denn alleine betrieben hört er sich einfach nur schrecklich dünn an. Wie Coura selbst sagt, sorgt das RealizeR-System „nur“ für das Sahnehäubchen.

Im externen RealizeR-Pedal, welches mit Netzteil oder Batterie betrieben wird, laufen das magnetische und das vom Sensor aufgenommene akustische Signal via Stereoklinken-Kabel zusammen. Ein mit „soft“ und „nerv“ betiteltes Potentiometer mischt das Sensor-Signal dem Pickup-Signal zu, und beides wird dann über einen Mix-Ausgang an den Verstärker weiter geleitet. Die Studio-Version des RealizeR, die hier im Test vorliegt, sieht zwei getrennte Ausgänge vor. Werden beide Ausgänge benutzt, liegt am Effekt-Ausgang nur das RealizeR-Signal an, am Mix-Ausgang das unveränderte E-Gitarren-Signal. Ist der Effekt-Ausgang nicht belegt, liegen beide Signale – der Name deutet schon darauf hin – am Mix-Ausgang an.

Im Inneren des RealizeR befindet sich zudem ein Trim-Regler, mit dem die Eingangsempfindlichkeit auf die verwendete Gitarre eingestellt werden kann, damit das Soft-Nerv-Poti einen optimalen Regelbereich überstreicht.

praxis

Für diesen Testbericht wurden zwei unterschiedliche Gitarren mit dem RealizeR-System ausgestattet – einmal die Coura MS-1, eine so genannte Solidbody-Jazz-Gitarre, die Peter Coura seit 1982 in mehr oder weniger unveränderter Form baut und die damals für Michael Sagmeister konzipiert wurde – übrigens eine elegante, eigenständige und rundum gelungene Gitarre; ein persönliches Antesten wird hiermit jedem empfohlen, der gerne in lauter Umgebung Jazz spielen will. Die zweite ist meine eigene, eine Tele-Version des holländischen Herstellers Dick Dyckman, die in ihrem mittlerweile 20-jährigen Leben schon einige heftigere Modifikationen über sich ergehen lassen musste. Da kommt es auf den Sensor auch nicht mehr an, dachte ich, als ich sie zu Peter Coura nach Frankfurt schickte. Und ich war natürlich gespannt, wie meine alte Weggefährtin sich mit dem Sensor im Bauch so macht. Und es tat sich interessantes, nachdem Gitarre mit RealizeR und RealizeR mit Amp verkabelt war – da waren plötzlich so ungewohnt knochige, hölzerne Klanganteile im Spiel, insbesondere die Bass-Saiten hatten eine größere Definition und – schwer zu beschreiben! – schön-holzige Obertonanteile zu bieten. Deutlicher war der RealizeR bei den oberen Saiten herauszuhören – alles wirkte brillanter, aber nicht schrill, was bei einer Tele einen nicht zu unterschätzenden Faktor darstellt. Ich hatte den Anteil des RealizeR-Sounds auf etwa die Hälfte eingepegelt – so klang es für mich noch nach E-Gitarre, aber der Einfluss des RealizeR war dennoch deutlich zu hören. Coura empfiehlt sogar, den RealizeR-Anteil so einzustellen, dass man ihn nicht mehr als zusätzliche Signalquelle identifizieren kann und nur dann, wenn man das Pedal ausschaltet, merkt, was man nun verloren hat. Kein schlechter Vorschlag! Singlenote-Linien bekommen plötzlich mehr Biss, Akkorde – und das zeigt sich besonders, wenn man Jazziges auf dem Hals-Pickup spielt – mehr Definition und Durchsichtigkeit. Interessantes passiert, wenn man den Volumen-Regler zurückdreht. Da die Lautstärke des Sensors davon nicht betroffen ist, bleibt der akustisch tönende Klanganteil erhalten, und man erhält einen prägnanten Sound, der gut zu orten ist – ideal für eine deutliche Rhythmusgitarre. Ähnliches passiert, wenn das Ton-Poti zurück geregelt wird: Der Klang wird ausgehöhlt, die magnetisch klingenden Anteile verschwinden, aber die strahlenden, vom Sensor übertragenen Holzresonanzen bleiben voll erhalten und ergänzen sich gut mit dem Bass-Fundament des magnetischen Pickups. Das klingt dann schon fast nach Akustik-Gitarre, hat aber deutlich mehr Bauch als z. B. das reine Piezo-Signal so genannter Hybrid-Gitarren. Im verzerrten Betrieb kann ich persönlich für mich und meine Tele keine Vorteile entdecken, aber auch keine Nachteile feststellen – das Sensor-Signal wird bei der moderaten Einstellung, die ich bevorzuge, vom Zerr-Sound absorbiert.

Ein ganz anderer Schnack ist dann die Coura MS-1. Jazz statt Country. Da diese nur einen Hals-Humbucker besitzt, versorgt der RealizeR praktisch die gesamte Höhen-Abteilung und gibt der Gitarre deutlich mehr akustische Klanganteile – die MS-1 klingt nun in der Tat ähnlich einer Archtop, aber mit deutlich akzentuierten Höhen, die natürlich auch komplexe Akkorde fein zeichnen können. Schnelles Comping (Akkord-Begleitung mit schnellen Wechseln Anm. d.Red) macht so richtig Spaß, und auch Lead-Lines haben nun diesen ganz speziellen akustischen Touch, auf den eingefleischte Jazzer nicht verzichten können – und den sie mit dem RealizeR nun auch in einer rückkopplungsfreien Solidbody-Gitarre erreichen können. Dieser Sound klingt auf jeden Fall akustischer als alle üblichen Halbresonanz-Gitarren und ist somit eine echte Alternative für Jazzer, die in lauten Bands spielen müssen.

Der Sensor überträgt natürlich auch alles andere, was auf und an dem Korpus passiert – das Reiben des Gurtes am Gurtpin, Schalter-Geräusche etc. sind stets ebenso präsent wie Griffgeräusche.

resümee

Der RealizeR bringt tatsächlich den Ton von Holz zurück in eine Soldibody-Gitarre und mischt ihn dort mit dem Ton der magnetischen Pickups. Wer diese Transparenz, diese hölzerne Griffigkeit im Sound mag, der hat nun die Möglichkeit dies auch ohne aufwändiges und teures Piezo-System zu realisieren. Für rein verzerrt Spielende ist der RealizeR wahrscheinlich eher uninteressant, genauso für die, die von ihm den Klang einer Akustik-Gitarre erwarten. Aber all denen, die ein bisschen mehr Glanz, mehr Definition und mehr Crisp benötigen, sei der RealizeR wärmstens ans Herz gelegt. Da fällt mir gerade der Vergleichs-Test der 12-string-E-Gitarren aus der letzten Ausgabe ein: Das RealizeR-System wäre der ideale Partner so mancher 12-String – und ist vor allem in Verbindung mit Humbuckern eine Wohltat. Wenn z. B. die Les Paul oder die ES-335 mal wie eine richtige Archtop klingen soll, empfehlen wir den RealizeR!

Übersicht

Fabrikat: Coura

Modell: RealizeR Studio

Herkunftsland: Deutschland

Gerätetyp: Sensor-Tonabnehmer und Regel-Elektronik

Gehäuse: Stahlblech

Anschlüsse: Input, 2´ Out (Split, Mix/Mag), Netzteil

Regler: Sensor-Volumen

Maße: 95 ´ 50 ´ 140 BHT/mm

Getestet mit: Coura MS-1, DD Telecaster, Teardrop-Being-Combo, Reußenzehn EL-34

Vertrieb: Coura Guitars, Schumannstr. 15, D-60325 Frankfurt; www.couraguitars.de

Preis: ca. € 390 bis € 420 je nach Gitarrentyp, inkl. Einbau. Nachrüsten einer weiteren Gitarre mit Sensor: ca. € 90 bis 120, je nach Typ.

Plus

Konzept

Transparenz

Praxistauglichkeit

Heinz Rebellius